Der dis­zi­pli­nar­be­fug­te Dienst­vor­ge­setz­te oder das Dis­zi­pli­nar­ge­richt hat die zu ver­hän­gen­de Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me anhand des im Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­setz oder den jewei­li­gen Dis­zi­pli­nar­ge­set­zen der Län­der vor­ge­ge­be­nen Maß­nah­men­ka­ta­lo­ges nach pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sen selbst zu bestim­men (§ 13 BDG).

1. Offen­heit der Disziplinartatbestände

Nach § 77 Bun­des­be­am­ten­ge­setz (BBG) und § 47 Beam­ten­sta­tus­ge­setz (BeamtStG) bege­hen Beam­tin­nen und Beam­te ein Dienst­ver­ge­hen, wenn sie die ihnen oblie­gen­de Pflich­ten schuld­haft ver­let­zen. Der Nach­weis eines Dienst­ver­ge­hens ist Vor­aus­set­zung für die dis­zi­pli­nar­recht­li­che Ahn­dung durch Ver­hän­gung einer Disziplinarmaßnahme.

Im Unter­schied zu den Straf­tat­be­stän­den des Straf­rechts sind die Dienst­ver­ge­hen im Beam­ten­recht nicht typi­siert und kon­kret abge­fasst. Art. 103 Abs. 2 Grund­ge­setz (GG), wonach eine Tat nur bestraft wer­den kann, wenn die Straf­bar­keit zuvor gesetz­lich bestimmt war, gilt aber auch für das Dis­zi­pli­nar­recht. Eine dis­zi­pli­nar­recht­lich ver­folg­ba­re Pflich­ten­ver­let­zung im Sin­ne von § 77 BBG (§ 47 BeamtStG) muss sich daher aus einer gesetz­lich umschrie­be­nen Pflich­ten­re­ge­lung erge­ben und die zu ver­hän­gen­de Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me muss zumin­dest nach Art und Höhe durch Gesetz fest­ge­legt sein.

Die gesetz­li­chen Pflicht­tat­be­stän­de im Beam­ten­recht sind als General­klauseln mit­tels unbe­stimm­ter Rechts­be­grif­fe abge­fasst. Neben den Kern­pflich­ten der Beam­tin­nen und Beam­ten, der Dienst­leis­tungs­pflicht und der all­ge­mei­nen Treue­pflicht, die sich unmit­tel­bar aus der Bezeich­nung des Beam­ten­ver­hält­nis­ses als „öffent­lich-recht­li­ches Dienst- und Treue­verhält­nisses“ erge­ben (Art. 33 Abs. 4 GG, § 4 BBG, § 3 BeamtStG) sind die wei­te­ren Pflich­ten aus den Pflich­ten­ka­ta­lo­gen der §§ 60 ff. BBG und §§ 33 ff. BeamtStG wie auch aus gesetz­li­chen Son­der­vor­schrif­ten (z.B. §§ 203, 206. 353b ff. Straf­ge­setz­buch (StGB), § 30 Abga­ben­ord­nung (AO)) her­leit­bar wie z.B. die Wahr­heits­pflicht, die Amts­ver­schwie­gen­heits­pflicht, die orts- und zeit­ge­bun­de­ne Anwe­sen­heits­pflicht, die Befolgungs‑, Remons­tra­ti­ons- und Unter­stüt­zungs­pflicht, die Pflicht zur unpar­tei­ischen, gerech­ten und unei­gen­nüt­zi­gen Amts­füh­rung und die inner- und außer­dienst­li­chen Wohl­ver­hal­tens­pflich­ten wie die Pflicht zu ach­tungs- oder vertrauens­gerechtem Ver­hal­ten. Die­se Pflicht­tat­be­stän­de sind in star­kem Maße auslegungsbedürftig.

Anders als im Straf­recht, wo das Gesetz an einen fest umschrie­be­nen Tat­be­stand eine kon­kre­te Straf­an­dro­hung knüpft, hat der dis­zi­pli­nar­be­fug­te Dienst­vor­ge­setz­te die für ein nach­ge­wie­se­nes Dienst­ver­ge­hen zu ver­hän­gen­de Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nach pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sen — anhand des vor­ge­ge­be­nen Maß­nah­men­ka­ta­logs des § 5 Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­setz (BDG) — zu bestim­men (§ 13 BDG). Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men sind nach § 5 BDG für akti­ve Bun­des­be­am­tin­nen und ‑beam­te der Ver­weis, die Geld­bu­ße, die Kür­zung der Dienst­be­zü­ge, die Zurück­stu­fung und die Ent­fer­nung aus dem Beam­ten­ver­hält­nis; für Ruhe­stands­be­am­tin­nen und ‑beam­te des Bun­des die Kür­zung und die Aberken­nung des Ruhegehalts.

Die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me ist nach der Schwe­re des Dienst­ver­ge­hens zu bemes­sen, wobei das Per­sön­lich­keits­bild der Beam­tin oder des Beam­ten und die durch das Dienst­ver­ge­hen ver­ur­sach­te Beein­träch­ti­gung des Ver­trau­ens des Dienst­herrn oder der All­ge­mein­heit zu berück­sich­ti­gen ist (§ 13 Abs. 1 BDG). Eine Beam­tin oder ein Beam­ter, die oder der durch ein schwe­res Dienst­ver­ge­hen das Ver­trau­en des Dienst­herrn oder der All­ge­mein­heit end­gül­tig ver­lo­ren hat, ist aus dem Beam­ten­ver­hält­nis zu ent­fer­nen (§ 13 Abs. 2 S. 1 BDG). Das Ruhe­ge­halt ist abzu­er­ken­nen, wenn die Ruhe­stands­be­am­tin oder der Ruhe­stands­be­am­te als akti­ve Beam­tin oder als akti­ver Beam­ter aus dem Dienst­ver­hält­nis hät­te ent­fernt wer­den müs­sen (§ 13 Abs. 2 S. 2 BDG). Dabei ist ins­ge­samt der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit (Über­maß­ver­bot) wie auch der Grad des Ver­schul­dens zu beach­ten, d.h. die zu ver­hän­gen­de Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me hat in einem gerech­ten Ver­hält­nis zur Schwe­re des Dienst­ver­ge­hens und zum Ver­schul­den der Beam­tin oder des Beam­ten zu stehen.

2. Bedeu­tung der Disziplinarrechtsprechung

Auf­grund der Offen­heit der Dis­zi­pli­nar­tat­be­stän­de kommt der gericht­li­chen Recht­mä­ßig­keits­kon­trol­le und damit der Dis­zi­pli­nar­recht­spre­chung der Ver­wal­tungs­ge­rich­te bei der Anwen­dung des Dis­zi­pli­nar­rechts gro­ße Bedeu­tung zu. So hat die Dis­zi­pli­nar­recht­spre­chung für bestimm­te Fall­grup­pen sog. Regel­ein­stu­fun­gen getrof­fen, die das Ermes­sen des Dienst­vor­ge­setz­ten in Aus­übung der Dis­zi­pli­nar­ge­walt begren­zen und der Gleich­be­hand­lung und Rechts­si­cher­heit (Vor­aus­seh­bar­keit) dienen.

Nach der Recht­spre­chung kom­men für die Ver­hän­gung der Höchst­maß­nah­me „Ent­fer­nung aus dem Beam­ten­ver­hält­nis“ danach vor allem fol­gen­de schwer­wie­gen­de Dienst­ver­ge­hen in Betracht:
  • Sog. Zugriffs­de­lik­te wie z.B. eigen­nüt­zi­ge Kas­sen­ma­ni­pu­la­tio­nen eines Kas­sen­be­am­ten, Dieb­stahl zu Las­ten eines Kol­le­gen, Unter­schla­gung von Beförderungsgütern,
  • kor­rup­ti­ves Fehl­ver­hal­ten wie z.B. Bestech­lich­keit, unge­neh­mig­te Annah­me von Geschen­ken oder sons­ti­gen Vorteilen,
    inner­dienst­li­cher Betrug zu Las­ten des Dienstherrn,
  • beharr­li­che Ver­let­zung der poli­ti­schen Treue­pflicht, vor­sätz­li­che Spionagetätigkeit,
  • Besitz und Wei­ter­ga­be kin­der­por­no­gra­phi­scher Darstellungen,
  • län­ge­res vor­sätz­li­ches uner­laub­tes Fern­blei­ben vom Dienst.
Inso­weit hat die Recht­spre­chung auch sog. aner­kann­te Mil­de­rungs­grün­de erar­bei­tet, die im Wege der Typi­sie­rung Ent­las­tungs­grün­de festlegen.